Toby ist ein ganz besonderer Hund mit einer ganz besonderen Geschichte, einer ganz besonders furchtbaren Geschichte.
Er kam Anfang Juni 1996 ins Canile, damals war er noch ein kleiner Welpe. Allerdings einer, dem das Leben schon schlimmer
mitgespielt hatte, als fast jedem anderen Hund. Er war fast tot, verschmiert, versengt, der ganze Körper voller Wunden:
Man hatte den kleinen Kerl mit Benzin übergossen und angezündet!
Charlotte fand ihn eines Morgens vor dem Tor, ein wimmerndes Häufchen Elend. Er hatte eine besonders schlimme Form der
Krätze, die die Hunde in eine einzige, nach gammeligem Käse riechende, schmierige Masse verwandelt. Ob das der Grund
gewesen war, ihn anzuzünden? Keiner weiß es. Charlotte raste mit ihm zum Tierarzt und seine Wunden wurden versorgt – der
Geruch nach verbranntem Fleisch, Benzin und Gammel haftete ihm noch lange an.
Warum er das alles überlebt hat, weiß niemand. Er hat gekämpft und er hat gewonnen. Allerdings hat nur sein
Körper den Sieg davon getragen, seine Psyche wird für immer leiden. Toby ist absolut lieb, absolut ruhig, immer
freundlich, immer sanftmütig. Aber er lässt sich nur ungern berühren, bleibt immer in Distanz im Hintergrund,
hat immer eine große, traurige Frage in den Augen. Warum?
Seit er genesen ist, lebt Toby im großen Rudel, so dass er viel Kontakt zu anderen Hunden hat, Platz zum Laufen und
Nähe zu den Pflegerinnen. Jeder liebt ihn, allein schon wegen seiner Vergangenheit, aber besonders auch wegen seiner
unendlichen Sanftmut. Nur sein Vertrauen zu gewinnen ist schwer.
Eine allerdings hat das uneingeschränkt geschafft: Tobina,
seine ‛Verlobte”. Auch Tobina ist eine sehr scheue Maus, lässt sich fast nie blicken und hält sich meist
in den Hütten auf, interessiert sich kaum für den Tierheimalltag, um sich herum. Jago hofiert sie seit Jahren, wird
aber nicht erhört. Aber Toby liebt sie sehr und das beruht auf Gegenseitigkeit.
Mittlerweile hat Toby auch noch einen kleinen Schlaganfall gehabt, der eine halbseitige Gesichtslähmung zur Folge hatte.
Seitdem hängt die eine Lefze, das eine Auge kann keine Tränenflüssigkeit mehr erzeugen. Er bekommt mehrmals
täglich Tropfen ins Auge, so dass es nicht austrocknet.
Toby weiß noch nicht, was es bedeutet, jemanden zu haben, der besonders an ihn denkt, ihm etwas besonders Gutes tun
möchte. Aber nach den Erfahrungen, die wir mit den anderen Hunden gemacht haben, gehen wir davon aus, dass er von einem
Paten sehr profitieren würde und dass die Geschenk-Tage ihm sehr helfen würden, aus seiner selbst gewählten
Distanz wieder aufzutauchen. Wer hilft ihm dabei?
Februar 2008
Geschenkaktion am 18. März 2008:
Toby war bei dieser Fahrt der Glückspilz unter den Patenhunden. Es gibt immer einen, der mehr Geschenke bekommt als
die anderen und niemals ist es derselbe Hund. Diesmal war also Toby an der Reihe: Er bekam sage und schreibe 4 Pakete!
Anfangs war unser schüchterner Riese etwas überfordert mit dem ungeheuren Angebot an wunderbaren Dingen, die sich
dort vor ihm auftaten. Aber auch bei ihm merkt man, dass er schon einmal Pakete bekommen hat. Früher hat er sich nicht
in die Nähe der furchteinflößenden Dinger getraut, diesmal kam er schon freiwillig mit in den kleinen Auslauf,
in dem die Pakete auf ihn warteten, obwohl das ein Teil des Canile ist, in dem er sich sonst nicht aufhält und den er
daher eher meidet. Aber nachdem er genügend menschlichen Beistand bekommen hatte, traute er sich sogar, die Nase in die
Kisten zu stecken und selbst zu suchen, was ihm gefiel. Was für ein Fortschritt für ihn!
Und was er entdeckte, gefiel ihm ausnehmend gut. Ununterbrochen leckte er sich das Maul, so lief ihm darin das Wasser zusammen.
Die gut riechenden kleinen Nassfutterschalen kamen seinem – durch den Schlaganfall halbseitig gelähmten – Leckermäulchen
sehr entgegen und fanden reißenden Absatz. Anschließend gab es als 2. Gang etwas getrockneten Pansen und
Hühnermägen. Danach musste als Hauptgericht ein Parmaschinkenknochen herhalten, der ihn dann für den Rest des
Nachmittags beschäftigte. Freiwillig bleib er in dem leeren Auslauf und nagte hingebungsvoll lange Zeit daran herum.
Seine Freunde des großen Rudels saßen währenddessen etwas neiderfüllt hinter dem Zaun und leckten sich
ununterbrochen die Lefzen. Aber weil Toby so viel hatte, gaben wir jedem eine Kleinigkeit ab – trotzdem konnten wir für den
Dicken genug von den Köstlichkeiten für die kommende Zeit zur Seite legen.
Die Pflegerinnen haben uns versprochen, dass er jeden Tag eine Extraportion bekommt, bis alles weg ist. Er wird also noch eine
ganze Weile jeden Tag an die Menschen erinnert werden, die ein Herz für ihn gezeigt haben. Und sie können sicher sein,
wenn er könnte, er würde sich auf seine liebe, sanfte Art bei jedem von ihnen bedanken!
Nebenbei bemerkt: Wie man auf den Bildern sehen kann, macht das Auspacken den Menschen mindestens genauso viel Spaß wie den
Hunden. Und diese Zeit, die sie dabei mit den Hunden verbringen, ist ein Zusatzgeschenk für die Tiere, das mindestens genauso
wichtig und schön für sie ist, wie die Leckereien selbst.
Der sanfte Riese hatte inzwischen liebe Paten gefunden, die an ihn dachten und ihm Geld für Extras
schickten. Wir hatten ihm ein paar Sachen zusammengestellt, die er mochte, aber auch bei seiner zweiten
Paketübergabe war Toby noch etwas überfordert. Erst als er den Pansen und das Schweineohr
entdeckt hatte, traute er sich etwas näher an das Paket heran und ließ es sich dann doch
schmecken.
Das erste Paket, das wir mit ihm auspackten, kam von Anne Novak. Auch bei Toby hatte sie sich wieder
besonders viel Mühe gegeben und es mit den verschiedensten schönen und sinnvollen Dingen
gefüllt. Für Toby waren allerdings erstmal nur die leckeren fressbaren Inhalte wichtig,
alles andere ließ er vorerst links liegen. Er schlemmte sich mit Karins Hilfe durch verschiedene
Tüten hindurch (wegen seiner halbseitigen Gesichtslähmung konnte er sich nicht mehr so gut alleine
helfen, wie andere Hunde, so dass wir ihm die Sachen oft vorhielten) und schnüffelte immer wieder
versonnen in dem Paket herum – Toby war ein stiller Genießer, der die schönen Gerüche richtig
in sich hineinschlürfte. Zwischendurch schaute er immer wieder zu uns hoch – Dank in den sanften Augen.
Nachdem der erste Hunger gestillt war, ging er dazu über, auch die übrigen Sachen zu begutachten.
Besonders aufmerksam wurde der große blaue Silikonhund (genau so einer, wie Isotta ihn bekommen hatte)
beschnüffelt. Allerdings machte Toby dabei einen etwas ratlosen Eindruck – sowas hatte er in seinem
ganzen Leben noch nicht gesehen. Und durch seinen furchtbaren Start ins Leben und seine verhaltene Art,
hatte er nie gelernt zu spielen.
Die Bürste bekam in dem Augenblick eine Bedeutung für ihn, als Karin anfing, ihn damit zu
bearbeiten. Mit halbgeschlossenen Augen saß er still da und genoss die ausführliche
Wellness-Sonderbehandlung.
So auch an diesem Tag: Nachdem wir ein schattiges Plätzchen mit ihm aufgesucht und ihm alle Leckereien
gezeigt hatten, entschied er sich erstmal für eine Reihe getrockneter Pansenstücke, die er sich
langsam aber genüsslich munden ließ. Nicht einmal die neidischen Blicke seiner Kollegen aus dem
großen Rudel störten ihn bei dem leckeren Fresschen, er ließ sie einfach an sich abgleiten.
Anschließend wollte er nichts als seinen absoluten Favoriten: einen großen, saftigen
Parmaschinken-Knochen. Karin packte ihn aus und von diesem Augenblick an lag Toby stundenlang unter seinem
Sonnendach und hatte zu tun: So einen Knochen zu bezwingen verlangt schon nach Disziplin und Ausdauer. Toby
bewältigte das Problem so souverän und gründlich, dass wir später nicht einen einzigen
kleinen Splitter davon wieder einsammeln mussten (damit es keine Streitereien zwischen den anderen Hunden
gibt). Es war einfach nichts mehr davon übrig.
Du hast nicht viel von deinem Leben gehabt, Toby. Tod, Angst und Schmerzen haben es eingeleitet, Furcht
hat es begleitet, Liebe hast du nur in kleinen Portionen kennen lernen dürfen – so wie halt Zeit
für dich übrig war zwischen all den anderen Hunden.