Eine Setterseele verliert die Hoffnung
Man muss nur in Todds Augen schauen, damit man weiß, dass seine sensible Setterseele schon vor langer Zeit eingegangen
ist. Todd gehört zu den Hunden, die unendlich unter dem Eingesperrtsein in einem Canile leiden. Dazu hat er auch noch
eins der schlimmsten Tierheimschicksale hinter sich, das einem Hund passieren kann. Der wunderschöne, sanftmütige
Setter hat fast sein gesamtes Leben lang in einer der italienischen Hundehöllen vor sich hin vegetiert, vergraben in
einem winzigen Verlies ohne Sonne, ohne menschliche Ansprache, ohne richtigen Kontakt zu anderen Hunden, ohne die Möglichkeit,
seine Gliedmaßen zu strecken und seinen Körper mit dem Wind fliegen zu lassen, wie Setter es so sehr mögen.
Es gab nur wenig Futter, kein ausreichendes Wasser, keinerlei medizinische Versorgung, keine streichelnden Hände. Todds
Seele ist dabei einen langsamen und qualvollen Tod gestorben.
Seit Januar 2010 lebt Todd endlich in einem Canile, in dem es den Hunden verhältnismäßig gut geht, in dem die
Pfleger ihre Tiere lieben und versuchen, ihnen das Dasein erträglich zu machen. Heute darf er jeden Tag in den Freilauf und
seine Beine bewegen, hat Kontakt zu anderen Hunden und zeitweilig sogar jemanden, der sich Zeit für eine Schmusestunde mit
ihm nimmt. Trotzdem: Wenn man in sein Gehege kommt, findet man nur noch einen Schatten des Hundes vor, der er unter anderen
Umständen geworden wäre. Allerdings einen Schatten, der sich immer noch an die Hoffnung klammert, dass sein Dasein eine
gute Wende nimmt. Wenn es still ist im Canile, schaut Todd oft trostlos in die Ferne, seine Augen sind dann feucht und man sieht,
wie seine Gedanken weit weg und über die Gitterstäbe hinaus fliegen.
Tritt allerdings ein Mensch in seine kleine Welt, dann kommt Leben in den schönen Rüden. Er umarmt jeden mit der
Herzlichkeit und Vehemenz eines Robinson Crusoe, der endlich gerettet werden will. Wenn es irgend geht, versucht er die ganze
Zeit, Körperkontakt zu dem Zweibeiner zu halten, lässt ihn nicht von seiner Seite und tut alles, um zu gefallen. Im
Freilauf benimmt er sich vorbildlich, hört aufs Wort, ist immer mit einem Ohr und einem Auge bei 'seinem' Menschen und schaut
auf jede Regung seines Gegenübers. Mit den anderen Hunden versteht er sich gut, ohne sie allerdings sehr zu beachten. Er
geht einwandfrei an der Leine, freiwillig im Tempo des Hundeführers, schnuppert zwar gern, aber zeigt keinerlei Jagdtrieb.
Das Beisammensein mit seiner Bezugsperson ist ihm wichtiger als alles andere.
Ihn wieder allein zu lassen ist dagegen dramatisch. Er heult dann auf, die Verzweiflung steht ihm ins Gesicht geschrieben und wenn
man weg geht, bricht er völlig in sich zusammen. Bei einem seiner Versuche, hinterher zu kommen, hat er sich sein Bein
so aufgerissen, dass es genäht werden musste.
Todd ist ein Traumsetter und wir hoffen so sehr für ihn, dass er seine eigene Familie findet. Es müssen keine
besonders sportiven Menschen sein, denn er zeigt nicht das Laufpotential, das Setter mitbringen, die sich ihr Leben lang austoben
durften. Kinder dürfen gern in dem Haushalt leben, besonders wenn sie groß genug sind, sich mit ihm zu
beschäftigen. Und vor allem muss viel Zeit vorhanden sein und der Wille, ihn überall hin mitzunehmen. Denn Todd wird
sich (zumindest anfangs) schwer tun, allein zurück zu bleiben.
Und noch viel wichtiger: Seine Menschen müssen unendlich viel Liebe für ihn übrig haben, denn sein Herz hungert
seit sieben Jahren nach Nähe, nach Streicheleinheiten, nach Zuneigung, nach Geborgenheit. Und darauf, all dies auch
zurückgeben zu dürfen. Je mehr streichelnde Hände und kuschlige Sofaecken in seinem neuen Heim auf ihn warten, um
so glücklicher wird er seine Menschen machen.
20. Dezember:
Todd ist nach Meerbusch übersiedelt, wo er endlich, endlich eine eigene Familie - mit
hoffentlich jederzeit freien Händen zum Streicheln ;-) - gefunden
hat.
Vermittelt am 19. Januar 2011